Einführung eines organisierten Schweinezuchtprogramms in Estland

M. Rätsep*, Schweinezuchtverband Estland, Tartu

 

Einleitung

Im Zeitraum von April 1997 bis Oktober 1999 wurde in Estland ein von der EG unterstütztes PHARE-Projekt “Verbesserung der Schweineproduktion in Estland” durchgeführt. Die ausländischen Berater und verantwortlichen Organisationen waren die deutschen Firmen ADT Projekt GmbH, Züchtungszentrale Deutsches Hybridschwein GmbH und DLG Agriservice.

Die Grundaufgaben des Projekts waren am Anfang

a.     Effektive Verwendung von Schweinegülle zur Reduzierung der Umweltbelastung

b.     Unterstützung der ökologischen und wirtschaftlichen Schweineproduktion in estnischen Betrieben.

c.     Verbesserung von Schweinezucht- und Fleischqualität.

d.     Verbesserung der Managementsysteme.

Es wurde zur Unterstützung 2 größere Schweinebetriebe ausgewählt, die aus der Sicht des Umweltschutzes strategisch wichtig waren: AG Ekseko in Viljandi Gebiet und Pärnuer Schweinebetrieb.

In ein halbes Jahr hat man in Hauptaufgaben des Projekts Korrektive durchgeführt, weil die beiden Firmen zu diesem Zeitpunkt privatisiert wurden und weil der Pärnuer Schweinebetrieb seine Tätigkeit praktisch beendet hat.

Die neuen Aufgaben wurden so bestimmt, damit sie dem estnischen Staat und der estnischen Schweineproduktion insgesamt nützlich werden könnten:

1.     Verbesserung von Schweinezucht- und Fleischqualität

2.     Verbesserung der Managementsysteme

3.     Verbesserung der Verwendung von Schweinegülle und –Abfall.

 

Züchtungszentrale Deutsches Hybridschwein GmbH

Der hauptsächliche Partner und Ratgeber in den mit der Schweinezucht und der Zuchtorganisation verbundenen Fragen war während des Projektes Züchtungszentrale Deutsches Hybridschweine GmbH, die der Träger des Bundeshybridzuchtprogramms (BHZP) ist. Das BHZP ist ein Kreuzungszuchtprogramm in Deutschland, das in sich bäuerliche Erzeugergemeinschaften aus ganz Deutschland einigt. 16-20 % der in Deutschland produzierten Schlachtschweine sind genetisch auf das BHZP zurückzuführen. Das BHZP ist Anbieter von Genetik über Zuchtsauen, Zuchteber und Sperma von Vor- und Endstufenebern, seine Produktion erfolgt bei kontrolliertem und definiertem Gesunheitsstatus, es entwickelt und vertreibt spezielle Anwendungssoftware für die Schweinezucht und –Produktion und pflegt eine eigene Zuchtdatenbank, um Zuchtwerte schätzen zu können.

 

Verbesserung von Schweinezucht- und Fleischqualität

Während des gesamten Projektszeitraum haben die Projektberater aus der Züchtungszentrale Deutsches Hybridschwein sehr intensiv an den mit Zuchtmethodik und Managementsystemen verbundenen Projektaufgaben gearbeitet und komplette Methodik zur Verbesserung des estnischen Zuchtsystems ausgearbeitet.

Die Aufgaben für die Verbesserung der Zucht- und Managementsystems wurden unten folgend:

1.     Verbesserung der Zuchtmethoden und – Instrumente

2.     Import von Zuchtsperma, Zuchttieren von anderen überlegenen europäischen Zuchtpopulationen

3.     Verbesserung der Managementssysteme.

Zu deren Erfüllen wurden folgende Maßnahmen durchgeführt:

·       Bestandaufnahme zum vorhandenen Zuchtsystem

·       Entwicklung eines Zuchtkonzeptes

·       Züchterische Beratung und Schulung von Fachkräften

·       Entwicklung und Gestaltung einer modernen Zuchtdatenbank

·       Übersetzung und Einführung einer edv-gestützten lokalen Datenerfassung mit Anbindung zur Datenbank und Managementunterstützung für den Betrieb (Sauenplaner)

·       Entwicklung und Einführen einer modernen und effektiven Zuchtwertschätzung (BLUP-Methode)

 

Ausgangssituation und Empfehlungen

In Estland wurde zu dem Zeitpunkt des Projektanfangs hauptsächlich nur Herdbuchzucht getrieben. Die Reinzuchtbetriebe hatten sich in zwei Herdbuchverbänden vereinigt. Es gab hauptsächlich zwei Mutterlinien – Landrasse und Large White. Eine kleine Population gab es auch Hampshire Rasse. Es wurde meistens nur additiv genetischer Effekte genutzt und auf Heterosiseffekte verzichtet. Es gab eine ziemlich ungünstige Zuchtstruktur – viele Zuchtherden, keine überbetriebliche genetische Verknüpfung, geringe Prüfungsintensität und Zeitverzug in der Informationsübermittlung. Künstliche Besamung kam in der Zucht fast gar nicht zum Einsatz. Immer mehr wurde Aufmerksamkeit und ökonomische Bedeutung auf Muskelfleischanteil gekehrt.

In dieser Situation wurde für Estland ein Kreutzungszuchtprogramm empfohlen:

·       Strukturverbesserung in der Zuchtstruktur und Organisation

·       3-Linien-Kreutzungsystem

o      Mutterlinien: landesübliche Populationen Landrasse und Large White

o      Vaterlinie: fleischreiche und robuste Population mußte importiert werden (Pietrain)

·       Straffung der Zuchtorganisation

·       Aufbau der Zuchtpyramide

o      Basiszucht mit 400 Stammsauen

o      Vermehrung mit 3000 Stammsauen

·       Moderne Zuchtdatenbank mit lokaler Zuchtdatenerfassung

·       Zuchtprogramm mit Leistungsprüfung und konsequenten Selektion

·       Stärkere Einbindung der KB in Zucht und Produktion

 

Verbesserung der Zuchtmethoden und Instrumente

Als eine der wichtigsten Maßnahmen zum Einrichten und zur Verbesserung des Zuchtsystems hat sich in Estland das Verbessern der EDV-Instrumente und Susteme erwiesen. Während zwei Jahren wurde eine moderne und überbetriebliche Zuchtdatenbank auf Oracle-Basis bei dem Leistungskontrollzentrum in Tartu geschafft. Es wurde ein Sauenplaner db-Planer von der Züchtungszentrale “importiert” und ins Estnische übersetzt, wobei der Sauenplaner eine Anbindung an die Datenbank hat. Für Effizient bei der Selektion und Ausmerzung der Zuchttiere ist eine überbetriebliche BLUP-Wertschätzung unentbehrlich.

Die Resultaten auf diesem Gebiet sprechen für sich selbst:

·       Der estnischsprachige db-Planer kommt zur Zeit in 57 Betrieben zum Einsatz.

·                      Ende September 2000 sind über 20 000 Stammsauen in der zentralen Datenbank erfasst. Davon sind

o      5340 Landrasse-Sauen

o      9740 Large White-Sauen

o      5968 Hybridsauen

·       Der Jahresbericht enthält detaillierte Informationen zur Leistung innerhalb der Zucht

·       Jede Woche wird allen Zuchttieren sowohl in Betrieben als auch in den KB-Stationen einen überbetrieblichen BLUP-Zuchtwert gerechnet.

·       Die Betriebsleiter haben eine zeitgleiche Rückkoppelung betreffs der Zuchtwerten ihrer eigenen Tiere und der Daten der KB-Eber, außerdem über die Jungtiere, die besten Zuchtwerten in Estland haben.

 

Import von Zuchtsperma und Zuchttieren

Im Rahmen des PHARE-Projekts wurden sowohl Zuchtsperma als auch Zuchttiere aus Niederösterreich importiert. Da es in Estland früher eine Vaterrasse fehlte, wurde eine kleine Pietrain-Population (38 Jungsauen, 14 Eber und 95 Spermatuben) zur Vermehrung eingeführt. Außerdem wurde 4 KB-Eber von beiden weißen Rassen und 365 Spermatuben von Landrasse und 410 Spermatuben von Large White importiert.

 

Verbesserung der Managementsysteme       

Darunter muß man in erster Linie eine Übertragung von Know How über eine effektive und moderne Schweinezucht und Produktion verstehen.

Dazu wurden in Estland mehrere Seminare und Workshops über Hybridzuchtsystem, Sauenselektion, Fütterung, Sauenmanagement, beispielweise Feldtagen, wo auf Grund der Sauenplaner-Ausdrucken und –Analysen über die Schweineproduktion diskutiert wurde, durchgeführt. Für die Unterstützung der Entwicklung der Datenbank wurden die Fachleute an dem Leistungskontrollzentrum in Tartu an Ort und Stelle konsultiert und geholfen, ökonomische Parameter für die BLUP-Zuchtwertschätzung auszuarbeiten.

Neben den Seminare und Workshops in Estland hat man auch in Deutschland Ausbildung durchgeführt – Besuche der verschiedenen Schweinezucht- und Produktionsbetriebe. Es wurden estnische Fachleute in einer KB-Station in Deutschland geschult, mehrtägige Kursen auf Gebiet Fütterung, Zucht, Farmmanagement, Datenbank und Zuchtwertschätzung.

 

Perpektiven und Ausblick

·         Die Entwicklung der optimalen Zuchtstrukturen benötigt Zeit. Die Umorganisierung des ganzen Reinzuchtsystems zu einem systematischen Kreuzungszuchtsystem erfordert erhebliche organisatorische Veränderungen. Die Situation ist dermaß verändert, daß es in Estland jetzt einen einheitlichen Schweinezuchtverband hat, zu dem es mit dem Stand 01. März 2001 55 Mitgliederbetriebe und 29 Mitglieder-Unterstützer gehören. Der Estnische Schweinezuchtverband hat das Kreuzungszuchtprogramm “Marmorfleisch”, das zielstrebig Schritt für Schritt eingesetzt wird.

·         Lokale Zuchtdatenerfassung und Zuchtdatenbank sind gute Voraussetzungen für die Zuchtwertschätzung, deren Auswirkungen erst langfristig spürbar sind. Heutzutage werden alle in der Datenbank vorhandene Zuchttiere Zuchtwert bekommen. Auf diesen Grund können die Tiere sowohl in den Betrieben als auch in den KB-Stationen remontiert, verkauft oder ausgemerzt werden.

·         Die Kreuzungssauen setzen sich in Estland immer mehr durch. Nach dem Jahresbericht 1999 des Leistungskontrollzentrums in Tartu werden von den Kreutzungssauen etwa 0.5 Ferkel pro Wurf mehr lebend geboren.

·         Die Nachfrage nach Pietrain-Endprodukteber nimmt zu. Die Esten haben es ersehen, daß die Endstufeneber Schlachtkörperqualität verbessern.

·         Die künstliche Besamung gewinnt in Estland immer mehr an Bedeutung. Im Jahre 2000 konnte der Absatz nahezu vervierfacht werden. Das schafft günstige Voraussetzungen für die genetischen Verbindungen zwischen den Tieren in verschiedenen Betrieben in Estland und gleichzeitig vergrößert die Zuverlässigkeit der BLUP-Zuchtwerte.

Der Kontakt zu den Projektpartnern in der Züchtungszentrale besteht weiterhin. Ebenso wird die Zusammenarbeit zwischen dem Leistungskontrollzentrum und dem Estnischen Schweinezuchtverband immer enger und stärker.